Das Griechisch-Experiment

Heute drehen sich meine Gedanken ausnahmsweise nicht um die deutsche Sprache, sondern um eine völlig andere: um die griechische Sprache. Als EU-Dolmetscherin und Übersetzerin bin ich ständig mit meinen so genannten Arbeitssprachen beschäftigt, und zwar: Englisch, Spanisch, Französisch und eben Deutsch. Gerade das Fitbleiben bei der Muttersprache ist nicht zu unterschätzen, denn schließlich wird in der EU in der Regel in eine Richtung gearbeitet, also in meinem Fall aus dem Englischen, Spanischen und Französischen ins Deutsche. Eleganter Ausdruck im Deutschen ist da sehr wichtig. Das gelingt nur durch intensive Beschäftigung mit der Sprache und dem Konsum enormer Papierberge jede Woche. Da Allgemeinbildung und möglichst viel Wissen in allen möglichen Bereichen fürs Dolmetschen sehr wichtig sind, sind Dolmetscherinnen oft extrem wissbegierig und lesen ohne Ende. Ich bin da keine Ausnahme.

Worauf ich eigentlich hinaus will: Wie viele andere EU-Dolmetscherinnen auch habe ich beschlossen, eine neue Sprache hinzuzufügen, wie das intern so schön heißt. Das bedeutet, dass ich mir eine zusätzliche Sprache aneignen möchte, um in absehbarer Zeit in der EU aus dieser Sprache ins Deutsche zu dolmetschen. Dazu muss natürlich eine ebenso strenge Prüfung vor einer Jury bestanden werden wie bei meinen anderen drei Sprachen. Während die Erfolgsquote beim „Ersteinstieg” in den Dolmetschdienst der EU bei nur 20% liegt, bestehen diese „Hinzufügungstests” rund 50% der Mutigen, die antreten.

Anstatt mich etwa einer weiteren romanischen Sprache zuzuwenden, habe ich mich spontan für das Griechische entschieden. Das ambitionierte Ziel lautet, Anfang 2017, also in genau vier Jahren, die Sprache auf so hohem Niveau zu verstehen, um die EU-Dolmetschprüfung zu bestehen. Was größenwahnsinnig klingt, ist in der EU Alltag. Gerade Dolmetscherinnen haben natürlich überdurchschnittliches Sprachtalent und je mehr Sprachen sie beherrschen, desto leichter wird es in der Regel. Die meisten benötigen zwischen drei und vier Jahre, um eine weitere Sprache hinzuzufügen. Ich kenne eine Kollegin, die aus acht Sprachen ins Deutsche dolmetscht.

Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich und freue mich über die vielen Möglichkeiten, die das Web 2.0 bietet (hauptsächlich nehme ich ganz klassisch Einzelunterricht). Ich höre griechisches Radio, versuche griechische Online-Zeitungen zu entziffern, folge einigen Leuten aus Griechenland auf Twitter etc. Auch Youtube-Videos auf Griechisch mit spanischen oder englischen Untertiteln sind sehr hilfreich. Während die Herausforderung am Anfang beim Erlernen des Alphabets lag, lege ich jetzt den Schwerpunkt auf Hörverständnis und Ausbau meines bescheidenen Vokabulars. Da bei den EU-Sitzungen nicht über das Wetter geredet wird, sondern über Politik und Wirtschaft, habe ich noch eine ganze Menge Arbeit vor mir. Bitte Daumen halten … ich werde über den Ausgang des Experiments berichten.