Category Archives: Groß-/Kleinschreibung

Schönheit kommt nicht von Innen

Mit der Überschrift möchte ich nicht gegen den Zeitgeist anschreiben, sondern aufzeigen, dass die Großschreibung falsch ist. Erst vor kurzem sah ich eine wiederverwendbare Tragtasche der Drogerie-Kette dm, auf der in etwa Folgendes zu lesen stand: *Schönheit kommt von Innen … und aus dieser Tasche.

Inhaltlich ist das ein sehr schöner Gedanke, nur orthografisch ist er nicht korrekt. Hier kommt die Erklärung, warum das falsch ist.

Adverbien in Verbindung mit Präpositionen gelten nicht als substantiviert und werden kleingeschrieben:

Beispiele:
die Jugend von heute
von gestern sein
zwischen gestern und morgen
Farbe für außen und innen

Beim ersten Beispiel fällt vielleicht einigen der Buchtitel Die Welt von Gestern von Stefan Zweig ein. Orthografisch stimmt das nicht, weil es Die Welt von gestern heißen müsste. Ein richtig gutes Buch, das ich sehr empfehlen kann, ist es allemal.

Da wir es bei *Schönheit kommt von Innen mit einer Präposition (von) und einem Adverb (innen) zu tun haben, wäre die korrekte Schreibweise diese hier: Schönheit kommt von innen … und aus dieser Tasche.

Sobald ein Artikel vor dem Adverb steht, gilt natürlich die Substantivierung und damit die verpflichtende Großschreibung.

Beispiel:
Das Hier und Heute zählt.

Augen Braunzupfen gefällig?

augen_braun1Gerade auf Geschäftsschildern finden sich ja häufig orthografische Grausamkeiten. Aber dieses Schild bei einem Frisörsalon bei mir um die Ecke in Wien schießt wirklich den Vogel ab: Es wird *Augen Braunzupfen offeriert. Wer hat noch nicht, wer will noch mal? Aber was ist, wenn die Brauen bzw. *Braun schwarz sind?

Scherz beiseite: Es ist wirklich erstaunlich, dass so ein riesiges Poster in Druck geht, ohne dass jemandem der haarsträubende Fehler auffällt. Das zeugt meines Erachtens wieder einmal von der allgemeinen Gleichgültigkeit und/oder Planlosigkeit in Sachen Rechtschreibung. Die vom Frisörsalon wissen es offensichtlich nicht besser. Der Druckerei hätte es auffallen können, auch wenn das Korrekturlesen der eingereichten Drucksachen natürlich nicht zu deren Kernkompetenz gehört. Aber es wäre ein netter Kundendienst. Vermutlich hat sich aber auch dort niemand an *Augen Braunzupfen gestört. So nach dem Motto, das ich schon nicht mehr hören kann: Hauptsache verständlich.

Der Vollständigkeit halber: Korrekt wäre natürlich Augenbrauenzupfen. Die Substantivierung von Verben habe ich wiederholt behandelt, etwa hier.

Alternativen am Satzanfang

Ja, klar wird am Satzanfang großgeschrieben, werden sich einige angesichts dieser Überschrift denken. Allerdings gibt es da auch knifflige Fälle.

Kürzlich tauchte in einem Kommentar zu einem Blog-Beitrag die Frage auf, wie mit Großschreibung am Satzanfang in der folgenden Konstellation umzugehen sei:

Die Kundin/der Kunde kann jederzeit im Geschäft vorbeikommen.

Oder:

Der Schüler/die Schülerin zeichnet sich durch überdurchschnittlichen Lernerfolg aus.

In diesem Fall meinte ein Leser, dass der Kunde einen alternativen Satzanfang darstelle und deshalb der Artikel großgeschrieben werden müsse. Bisher hatte ich in diesen Fällen die Kleinschreibung gewählt. Wenn ich es mir recht überlege, ergibt die Kleinschreibung allerdings in diesem Fall wenig Sinn.

Deshalb empfehle ich, wie der erwähnte Leser auch, die Großschreibung:

Die Kundin/Der Kunde kann jederzeit im Geschäft vorbeikommen.
Der Schüler/Die Schülerin zeichnet sich durch überdurchschnittlichen Lernerfolg aus.

Wenn zusätzliche Attribute vor dem Substantiv stehen, mutet das Ganze vom Schriftbild her wohl etwas eigenartig an, aber was soll’s. Beispiel:

Die hochgeschätzte langjährige Stammkundin/Der hochgeschätzte langjährige Stammkunde kann jederzeit im Geschäft vorbeikommen.

Wenn die Alternative am Satzanfang lediglich aus einem Wort besteht, sieht es optisch natürlich am besten aus:

Er/Sie ist jederzeit herzlich willkommen.
Morgen/Übermorgen sind in unserem Hotel noch Zimmer frei.

Wobei wir uns natürlich mit anderen Schreibweisen aus der Affäre ziehen könnten, etwa:

Er bzw. sie ist jederzeit herzlich willkommen.
Morgen und übermorgen sind in unserem Hotel noch Zimmer frei.

Übrigens: Auch wenn es vielleicht so aussehen mag, geht es in diesem Fall nicht (nur) ums Gendern. Bei den meisten Beispielen bot es sich bloß an, weibliche und männliche Formen zu wählen. Genauso denkbar sind natürlich Varianten wie diese, etwa in einem Formular:

Ich/Wir überweise(n) den folgenden Betrag auf Ihr Konto.

Dieses Beispiel stammt aus dem Dudenband 9 („Richtiges und gutes Deutsch”), womit die oben erwähnte Meinung des Lesers also bestätigt wäre.

Zweifelsfälle beim Doppelpunkt

Gestern wurde der folgende Kommentar bei einem Beitrag zum Thema Groß- oder Kleinschreibung nach Doppelpunkt hinterlassen:

Die Duden-Regel 93 Punkt 2 besagt:

Nach einem Doppelpunkt kann groß- oder kleingeschrieben werden, wenn der folgende Satz (wie ein Teilsatz) auch mit Gedankenstrich oder Komma angeschlossen werden könnte.

Beispiel:
Das Haus, die Wirtschaftsgebäude, die Stallungen: Alles/alles war den Flammen zum Opfer gefallen.
(Denn man könnte auch schreiben: Das Haus, die Wirtschaftsgebäude, die Stallungen ‒ alles war den Flammen zum Opfer gefallen.)

Muss man demnach z. B. in folgenden Sätzen die Kleinschreibung korrigieren?

Der Wutausbruch verkörpert seine Einstellung: die des Menschen, der alles hat und sich alles erlaubt.
Er verkörpert, was er auch predigt: den gütigen Menschen, der immer zu helfen bereit ist.

Eine sehr gute Frage! Prinzipiell gilt natürlich die Grundregel, dass dann großgeschrieben werden muss, wenn nach dem Doppelpunkt ein vollständiger Satz steht. Aber es gibt eben Sonderfälle wie den oben beschriebenen. Allerdings wäre ein Gedankenstrich oder Komma in den beiden fraglichen Fällen nicht möglich, weshalb diese Ausnahmeregelung nicht zur Anwendung kommt.

Sehen wir uns die kniffligen Fälle einzeln an:

Der Wutausbruch verkörpert seine Einstellung: die des Menschen, der alles hat und sich alles erlaubt.

Meine werte Meinung dazu ist, dass es sich hier um eine Ellipse handelt, dass also ein Satzteil, nämlich Einstellung, eingespart und nicht wiederholt wird. Deshalb empfehle ich in diesem Fall die Kleinschreibung. Wie seht ihr das?

Im Dudenband 9 („Richtiges und gutes Deutsch”) lese ich übrigens Folgendes:
Oft folgt auf einen Doppelpunkt ein Ausdruck, der kein vollständiger Satz mit Personalform ist oder der nur aus Nebensätzen besteht. Sieht man diesen Ausdruck als selbstständig an, so schreibt man ihn groß, sonst klein.

Als Beispiel wird angeführt:
Vieles hat man ihm verziehen: dass er egozentrisch war und dass er Menschen verletzte, die ihm ihre Hilfe anboten.

Das ist meiner Meinung nach auch die Überlegung, die auf den zweiten Satz anzuwenden ist:
Er verkörpert, was er auch predigt: den gütigen Menschen, der immer zu helfen bereit ist.

Bin gespannt, ob es dazu abweichende Meinungen gibt. Auch wenn ich bei vielen Leserinnen die Sehnsucht nach strengen Regeln für alle orthografischen Fragen erlebe, finde ich es persönlich sehr angenehm, bei selten auftretenden Fragen ein wenig Entscheidungsspielraum zu haben.

So ticken Gaddafi-treue Truppen

Heute in der Früh las ich in der Zeitung von Gaddafi-treuen Gruppen. Ganz abgesehen von der Tatsache, ob es eine gute Idee ist, einem weitestgehend realitätsentrückten Diktator die Treue zu halten, stolperte ich über die Schreibweise Gaddafi-treu. Hier handelt es sich um eine Verbindung aus Substantiv und Adjektiv. Wenn sich ein Substantiv und ein Partizip zusammentun, wird es übrigens besonders kompliziert (mehr dazu hier und hier).

Bei Gaddafi haben wir es nicht nur mit einem Substantiv, sondern auch mit einem Eigennamen zu tun, weshalb hier andere Regeln gelten als etwa bei feuerfest oder wasserdicht. Da es mehr als legitim ist, den Eigennamen als solchen kenntlich zu machen, darf hier sowohl klein- und zusammengeschrieben werden als auch groß und mit Bindestrich. Es kann also sowohl heißen:

Die gaddafitreuen Truppen halten weiterhin ihre Stellung.

Als auch:

Die Gaddafi-treuen Gruppen halten weiterhin ihre Stellung.

Gleiches gilt natürlich für alle anderen Eigennamen. Womit ich festhalten möchte, dass die Schreibweise in der Zeitung völlig korrekt war.

Gehen wir nun einen Schritt weiter: Was ist, wenn ein Vor- und Nachname mit einem Adjektiv verbunden wird, etwa Fidel Castro oder auch gekrönte Häupter, die nur unter ihrem Vornamen bekannt sind, etwa Maria Theresia?

In diesem Fall ist nur die Großschreibung des Eigennamens erlaubt, in Kombination mit Bindestrichen (die berühmte „Durchkoppelung“):

Die kubanische Bloggerin Yoani Sánchez ist für ihre Fidel-Castro-kritischen (bzw. Raúl-Castro-kritischen) Wortmeldungen bekannt.

Die Schreibweise *Fidelcastro-kritisch würde schließlich eher eigenartig anmuten, ebenso wie *fidelcastrokritisch.