Category Archives: Zusammen-/Getrenntschreibung
Schief laufen ist nicht gleich schieflaufen
Am Wochenende las ich die Sonntagszeitung Presse am Sonntag, die ich wegen der zeitlosen Artikel und auch wegen der vergleichsweise guten Rechtschreibung sehr schätze. Diesmal fielen mir allerdings einige Fehler auf, vor allem in Zusammenhang mit der Zusammen- und Getrenntschreibung, wenn ein Adjektiv und ein Verb zusammenkommen.
Leider ist dies nicht einfach; daher wohl auch diese Fehler, die ich auch sehr häufig in anderen Publikationen finde.
Wir haben es hier mit Zusammensetzungen aus einem Adjektiv und einem Verb zu tun. Die Regel lautet folgendermaßen: Wenn der wörtliche Sinn des Wortes gemeint ist, wird getrennt geschrieben. Wenn aber der übertragene Sinn gemeint ist, muss zusammengeschrieben werden.
Demzufolge bedeutet schief laufen, dass jemand nicht gerade, sondern schief geht oder läuft. Wenn etwas wiederum schiefläuft, dann heißt es, dass die Dinge nicht so klappen, wie sich das die Beteiligten gewünscht hätten. Da die erste Bedeutung wohl sehr selten verwendet wird, können wir uns getrost merken, dass schieflaufen zusammengeschrieben werden muss (gilt für diejenigen, die keine Lust haben, sich die Regel einzuprägen).
Weitere Ausführungen zu diesem Thema gibt es hier.
Wenn plötzlich niemand mehr sitzenbleibt
In Österreich wird derzeit wild darüber debattiert, ob es Schülerinnen und Schülern erlaubt sein sollte, mit drei negativen Noten dennoch in die nächste Klasse aufzusteigen. Gleichzeitig läuft ein Bildungsvolksbegehren, das unter dem Motto „Österreich darf nicht sitzen bleiben” steht und derzeit eher mäßigen Zuspruch erlebt.
Ob Leistung in der Schule mittlerweile ein Tabu-Thema ist oder sein soll, ist eine Streitfrage, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Orthografisch interessant ist bei diesem Thema, besonders knapp vor Schulschluss, die Schreibweise sitzen bleiben vs. sitzenbleiben. Wie erwähnt, firmiert das Bildungsvolksbegehren unter „Österreich darf nicht sitzen bleiben”. Es stellt sich die Frage, ob diese Schreibweise richtig ist oder ob das Organisationsteam mit dieser Leistung selbst eine Fünf bekommt.
Wir erinnern uns: Die Verbindung aus zwei Verben wird stets getrennt geschrieben, wie ich etwa hier ausgeführt habe. Beispiele: spazieren gehen, schreiben lernen, lieben lernen etc. Wenn allerdings das zweite Verb bleiben oder lassen lautet, dürfen wir auch, sofern der übertragene Sinn gemeint ist, zusammenschreiben.
Es ist eben nicht das Gleiche, ob jemand physisch an ihrem Platz sitzen bleibt oder ob jemand in der Schule sitzenbleibt, also nicht in die nächste Klasse aufsteigen darf. Um diesen Unterschied auch im Schriftbild zu betonen, darf beim übertragenen Sinn ausnahmsweise zusammengeschrieben werden. Allerdings ist die Getrenntschreibung der Verben natürlich auch beim übertragenen Sinn nicht falsch. Ich persönlich finde es besser, die unterschiedliche Bedeutung sichtbar zu machen. Insofern ist der Slogan „Österreich darf nicht sitzen bleiben” so oder so völlig korrekt. Da davon ausgegangen werden darf, dass der übertragene Sinn gemeint ist – dass also quasi Österreich auf jeden Fall in die nächste „Klasse” aufsteigen möchte – , würde ich hier die Zusammenschreibung bevorzugen.
Übrigens gilt die Regel natürlich nicht nur im Infinitiv, sondern auch bei den gebeugten Verbformen:
Trotz Aufforderung zum Aufstehen ist Peter einfach an seinem Platz sitzen geblieben.
Anna setzt alles daran, damit sie nicht in der 4. Klasse sitzenbleibt. [auch: sitzen bleibt]
Kennen lernen oder kennenlernen: die salomonische Antwort
In meinem letzten Beitrag ging es um die Frage, wie geschrieben werden muss, wenn sich zwei Verben zusammentun. Wir erinnern uns: Prinzipiell wird getrennt geschrieben, wenn zwei Verben eine Einheit bilden. Das gilt sowohl für den Infinitiv als auch für die gebeugten Formen. Also so:
Ich möchte heute Nachmittag spazieren gehen.
Gestern Nachmittag sind wir spazieren gegangen.
Das ist eigentlich auch schon alles, was es zu diesem Thema zu wissen gilt – für diejenigen, die sich nicht mit den Details belasten möchten. Für die anderen: Wenn der zweite Bestandteil bleiben oder lassen ist, kann bei übertragener Bedeutung auch zusammengeschrieben werden. Also etwa so:
Wenn er so weitermacht, wird er in der Schule sitzenbleiben.
Es stand noch die oft gestellte Frage im Raum, wie sich das Verb kennen lernen/kennenlernen schreibt. Die salomonische Antwort: Beide Schreibweisen sind richtig. Ich persönlich finde das nicht wahnsinnig konsequent, zumal ja weder bleiben noch lassen vorkommt. Ich würde empfehlen, dieses Verb anhand der eingangs beschriebenen Regel immer getrennt zu schreiben. Wer allerdings nur schnell wissen möchte, wie dieses Verb zu schreiben ist und sich keine Regel merken möchte: Beides ist erlaubt.
Achtung bitte bei der Substantivierung: Sobald ein Verb als Substantiv verwendet wird, wird es stets zusammengeschrieben und natürlich auch groß. Eine Substantivierung erkennen wir unter anderem an einem vorangestellten Artikel, Pronomen oder Adjektiv. Beispiele:
Wir freuen uns auf ein Kennenlernen.
Unser Kennenlernen verlief sehr harmonisch.
Bitte schreiben Sie also keinesfalls Dinge wie:
* Bei gegenseitiger Sympathie ist ein kennen lernen nicht ausgeschlossen.
* Das Kennen Lernen anderer Kulturen ist sehr bereichernd.
Falls es irgendjemanden tröstet: Fehler bei der Großschreibung von Substantivierungen kommen sogar bei Sprachprofis gar nicht so selten vor. Was niemanden daran hindern soll, sich die entsprechenden Regeln einzuprägen. Die Substantivierung gehört meines Erachtens zu den eher einfachen Gebieten der deutschen Rechtschreibung. Also nur Mut!
Details zur Substantivierung gibt es unter anderem hier und hier.
Weiterführende Fragen beantworte ich gerne – eher ungern beantworte ich mittlerweile Fragen, bei denen es lediglich darum geht, die beschriebene Regel auf einen vergleichbaren Fall anzuwenden. Mitdenken ist stets hoch im Kurs …
Wenn sich zwei Verben zusammentun
Heute widmen wir uns wieder einmal einem grundlegenden Thema, und zwar der allseits beliebten Getrennt- und Zusammenschreibung (da in den meisten Fällen entweder getrennt oder eben zusammengeschrieben wird, sollte sie eigentlich Getrennt- oder Zusammenschreibung heißen, aber das nur am Rande).
Bei der Getrennt- und Zusammenschreibung gilt es, auf die Wortart zu achten. Es hat also keinen Sinn, sich wahllos die korrekte Schreibweise beliebiger Wörter einzuprägen. Vielmehr ist es wichtig, die Verbindungen als aus dieser oder jener Wortart bestehend identifizieren zu können und dazu die passende Regel parat zu haben.
Heute sehen wir uns mal an, was passiert, wenn sich zwei Verben zusammentun. Verben werden gerne auch Zeitwörter genannt. Dazu gehören also Wörter wie schreiben, trinken, lachen, laufen, lesen usw.
Die Regel hier ist dankenswerterweise sehr einfach: Kommen zwei Verben im Infinitiv (also in der Nennform, das heißt nicht konjugiert) zusammen, muss getrennt geschrieben werden. Beispiele, analog zu oben: schreiben lernen, trinken gehen etc.
Ebenso verhält es sich etwa bei den folgenden Verbindungen: flöten gehen, schätzen lernen, spazieren gehen usw.
Die oben genannte Regel gilt auch bei zusammengesetzten Verbformen. Also etwa:
Ich habe die französische Literatur allmählich schätzen gelernt.
Wird eine getrennt zu schreibende Verbindung wiederum in Partizipform (hier Partizip I) als Attribut verwendet, können wir zwischen der Getrennt- und Zusammenschreibung wählen:
Der spazieren gehende Mann grüßte freundlich.
Der spazierengehende Mann grüßte freundlich.
Wer diese Info im Kopf hat, ist auf jeden Fall auf der sicheren Seite. Wer’s genauer wissen will, kann gerne weiterlesen.
Bei der Verbindung aus Verb und Verb fällt auf, dass sehr häufig bleiben oder lassen an zweiter Stelle steht. In diesen Fällen ist auch die Zusammenschreibung erlaubt, aber nur dann, wenn die Verbindung im übertragenen Sinn verwendet wird:
Sie können das Kind dort sitzen lassen. (wörtliche Bedeutung; nur Getrenntschreibung erlaubt)
Sie möchte ihren Mann sitzenlassen. (übertragene Bedeutung; auch Zusammenschreibung erlaubt)
Ausführungen zur sehr häufig auftretenden Frage kennen lernen vs. kennenlernen gibt es im kommenden Beitrag.
Tief verschneite Weihnachten?
Tief verschneite Weihnachten, das wäre doch was … Aber wenn ich es mir recht überlege: Tief verschneit kann eigentlich nur ein Wald, eine Stadt etc. sein, aber Weihnachten an sich eher nicht. Egal – sagen wir, dass es sich um einen übertragenen Sinn handelt. Oder so.
Wie dem auch sei: Inhaltlich stellt sich hier in Wien die Frage nicht mehr, weil der meiste Schnee leider geschmolzen ist. Aber wenn wir viel Schnee hätten, wie würden wir das schreiben? Tief verschneit oder tiefverschneit?
Passenderweise ist hier, bei der Verbindung von tief mit einem adjektivisch verwendeten Partizip, beides erlaubt. Gleiches gilt etwa für tief empfunden, tief erschüttert, tief greifend, tief liegend etc. Als zuammenzuschreibende Einheit werden allerdings die folgenden Wörter empfunden: tiefkühlen, tiefstapeln, tiefblau, tiefernst, tiefgründig, tieftraurig usw.
Angeblich soll es ja heute im Laufe des Abends in Teilen Österreichs noch schneien. In diesem Sinne wünsche ich hoffentlich tief verschneite oder auch tiefverschneite Weihnachtslandschaften!