Neue deutsche Rechtschreibung

Tipps von der Deutsch-Expertin
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  • Knifflige Kommafragen

    Geschrieben am 9. Januar 2013 Dagmar Jenner 2 Kommentare

    Vor einiger Zeit erreichten mich zwei Kommafragen, die ich hier öffentlich behandeln möchte.

    Konkret geht es um Infinitive mit zu, auch Infinitivgruppen genannt, über die ich bereits mehrfach geschrieben habe (etwa hier und  hier), in Verbindung mit und.

    Ein Beispielsatz sah in etwa so aus:

    Die Katzenmama ist zuversichtlich, ihre Blumen vor der Katze retten zu können(,) und reduziert ihre Wachsamkeit.

    Wie die Klammern bereits andeuten, lautete die Frage, ob nach zu können ein Komma stehen muss. Das Entscheidende ist hier aber das Komma nach zuversichtlich: Es ist ein optionales Komma. Warum? Weil die Infinitivgruppe retten zu können weder mit einem Substantiv, einem hinweisenden Wort wie es noch einem der folgenden Wörter eingeleitet wird: um, ohne, statt, anstatt, außerals (nähere Ausführungen dazu siehe hier). Wenn es gesetzt wird, muss auch das zweite nach zu können gesetzt werden. Also entweder zwei Kommas oder gar keines. Die beiden möglichen Varianten lauten demnach:

    Die Katzenmama ist zuversichtlich ihre Blumen vor der Katze retten zu können und reduziert ihre Wachsamkeit.

    Die Katzenmama ist zuversichtlich, ihre Blumen vor der Katze retten zu können, und reduziert ihre Wachsamkeit.

    Zweiter Satz:

    Die Katze mobilisiert derzeit alle ihre Ressourcen, um ihr Verhalten zu ändern(,) und ihre Katzenmama glücklich zu machen.

    Auch hier lautete die Frage, ob das eingeklammerte Komma stehen muss oder kann. Das erste Komma nach Ressourcen ist hier zwingend vorgesehen, weil sich die Infinitivgruppe auf dieses Substantiv bezieht. Das Komma nach zu ändern ist nicht korrekt, da es sich um eine Aufzählung mit und handelt. In diesem Fall besteht die Aufzählung nicht aus Substantiven oder etwa Hauptsätzen, sondern aus Infinitivgruppen (also Infinitiven mit zu).

    Ich hoffe, ich habe diese kniffligen Fälle einleuchtend erklärt. Illustriert sind sie durch meine Haus- und Hofkatze Junia, die tatsächlich gerne an Blumen knabbert.

  • Kann der Föhn Haare trocknen?

    Geschrieben am 31. Dezember 2012 Dagmar Jenner 3 Kommentare

    Nein, dachte ich die längste Zeit. Denkste! Die Rechtschreibreform macht es möglich. Während bis zum Jahr 1996 Föhn ausschließlich den Wind und Fön ausschließlich den Haartrockner bezeichnete, können nun beide Föhn geschrieben werden. Das macht das Ganze doch deutlich einfacher, zumal die Markenbezeichnung Fön, eingetragen bereits 1908 als Wort-/Bildmarke der Firma AEG, natürlich vom warmen Fallwind Föhn kommt. Der Markenname lautet weiterhin Fön, aber wer vom Haartrocknen im Allgemeinen schreibt, kann bedenkenlos zum Föhn greifen.

    Auf jeden Fall wünsche ich euch allen einen guten Rutsch ins Jahr 2013 … nun, da der angebliche Weltuntergang überstanden ist, kann es nur bergauf gehen! Auf guten Rückenwind!

  • Advent, Advent

    Geschrieben am 17. Dezember 2012 Dagmar Jenner 1 Kommentar

    Jedes Jahr bekomme ich von einer geschätzten Kundin einen Adventkalender mit leckerer Schokolade. Da die Kundin in Deutschland zu Hause ist, ist im Begleitschreiben immer vom Adventskalender, also mit Fugen-s, die Rede.

    In Österreich sagen wir überwiegend Adventkalender. Das ist insofern bemerkenswert, als es sehr viele Beispiele gibt, wo es genau umgekehrt ist und wir in Österreich ein Fugenzeichen verwenden, während es im Bundesdeutschen weggelassen wird: Umzugskarton, Gelenksentzündung, überfallsartig.

    Wie geht es euch? Fallen euch weitere Beispiele zur unterschiedlichen Verwendung des Fugenzeichens in Österreich und Deutschland ein?

    Einen richtig tollen Adventkalender gibt es übrigens von einem österreichischen Paradeunternehmen im Bereich Bio-Produkte: Die Firma Sonnentor vertreibt einen „Tee-Adventkalender” (natürlich ohne Fugen-s) mit einem Teebeutel pro Tag. Bei diesen Temperaturen fällt es mir schwer, jeden Tag tatsächlich nur ein Säckchen zu entnehmen!

    Ich wünsche noch eine schöne restliche Adventzeit!

  • Für Extra’s bin ich nicht zu haben

    Geschrieben am 13. Dezember 2012 Dagmar Jenner 7 Kommentare

    Unlängst fand ich mich in einer Bäckerei vor diesem Schild wieder: „Unsere Extra’s”. Das tut weh! Mehr oder weniger diskret habe ich davon ein Foto gemacht.

    Auf die Gefahr hin, einen Dauerbrenner überzustrapazieren: Der Plural wird im Deutschen ohne Apostroph gebildet. Im Englischen übrigens auch, weshalb ich mir nicht wirklich erklären kann, woher diese Unsitte kommt. Vielleicht finden es die Leute optisch ansprechend? Besonders oft sichte ich diesen Plural-Deppenapostroph bei Lehnwörtern, bei denen die Schreibenden anscheinend oft das Gefühl haben, dass da eine besondere Regel zur Anwendung kommt und sie deshalb fröhlich zum Apostroph greifen. Nur: Die erwähnte Pluralregel gilt für alle Substantive ungeachtet deren Herkunft. Es heißt also Autos, Bikinis, T-Shirts, Babys etc.

  • Ein paar Würstel sind ein paar zu viel

    Geschrieben am 10. Dezember 2012 Dagmar Jenner 5 Kommentare

    Heute widmen wir uns dem kleinen, aber feinen Unterschied zwischen paar und Paar. Während paar ein Indefinitpronomen ist, handelt es sich bei Paar um ein Substantiv. Wenn wir ein paar Bonbons sagen, meinen wir damit einige. Es könnten also genau zwei sein, es könnten aber auch drei, fünf oder neun sein. Es ergibt also keinen Sinn, wie unlängst in einer sehr netten Bäckerei in Berlin gesehen, ein paar Würstel anzupreisen und mit einem Fixpreis zu versehen. Es könnte ja sein, dass die Kundin darauf besteht, um 2 Euro gleich sechs Würstel zu bekommen. Das wäre für die Bäckerei ein richtig schlechtes Geschäft.

    Ein Paar wiederum sind immer zwei – seien es Menschen, Würstel oder Wanderstiefel. Meine Schwester und ich sind ein Zwillingspaar – oder, wenn wir so wollen, ein Paar Zwillinge.

    In diesem Sinne trinke ich jetzt ein paar Tassen Tee gegen die klirrende Kälte.

  • Wart ihr auch alle brav?

    Geschrieben am 6. Dezember 2012 Dagmar Jenner 3 Kommentare

    Jedes Jahr am Nikolaustag geht es mir so, dass ich kurz zögere beim Verb wart. Ad hoc denke ich immer, da stimmt was nicht, das ist ja der Imperativ von warten (ohne e). Instinktiv würde ich deshalb gerne ward schreiben, was aber falsch ist. Das Präteritum von sein in der zweiten Person Plural lautet nun mal wart, wie ein Blick in die Grammatik jedes Jahr aufs Neue bestätigt.

    Gestern am Krampustag war ich übrigens in Innsbruck in Westösterreich, wo die so genannten Perchten (oft Brauchtumspfleger, gelegentlich auch als Krampusse verkleidete Rowdys)  gerne ihr Unwesen treiben. Netterweise stieg ich direkt vom Taxi in den Zug und rettete mich Richtung Wien. Wenn ich es mir recht überlege, hätte ich aber nichts zu befürchten gehabt, denn schließlich war ich das ganze Jahr richtig brav. Bei Erwachsenen bedeutet das wohl: emsig und fleißig. Und ihr, wart ihr auch alle schön brav?

  • EU: ja, bitte!

    Geschrieben am 30. November 2012 Dagmar Jenner 8 Kommentare

    Ich war jetzt einen guten Monat auf Tauchstation. Das hatte gute Gründe: Nachdem ich jahrelang erfolgreich als Übersetzerin tätig war, bin ich mittlerweile auch Konferenzdolmetscherin mit abgeschlossenem Masterstudium. Als solche wollte ich mich einer der größten Herausforderungen in der Branche stellen und akkreditierte EU-Dolmetscherin werden, worauf ich mich intensiv vorbereitet habe. Im Klartext handelt es sich um eine intensive Aufnahmeprüfung in den Dolmetschdienst der Europäischen Union, und zwar als Freelancerin. Die bestandene Prüfung berechtigt zum Arbeiten als Konferenzdolmetscherin bei den Institutionen der Europäischen Union. Die Erfolsquote über alle 23 Sprachen, in denen getestet wird, liegt konstant bei ca. 20%. Mitte November stellte ich mich also dieser Prüfung für die Sprachen Spanisch und Englisch ins Deutsche und freue mich zu berichten, dass ich auf Anhieb bestanden habe. Getestet wurde sowohl das Konsekutiv- als auch das Simultandolmetschen. Das Prüfungssystem sieht vor, dass ich meine dritte Sprache Französisch in einer letzten Teilprüfung nachreiche, die bereits für den 19. Dezember angesetzt ist. Wenn ich auch diese bestehe, bin ich mit allen Sprachen bei der EU akkreditiert und mache mir damit selbst ein richtig nettes Weihnachtsgeschenk.

    Nun, genug der Einführung. Nutzen wir die Gelegenheit, um uns die Schreibweise von Zusammensetzungen mit EU anzusehen. Wie auch bei Zusammensetzungen mit anderen Buchstaben ist der Bindestrich obligatorisch. Das ergibt etwa Folgendes: EU-skeptisch, EU-Kommission, EU-weit. Analog: i-Tüpfelchen, UV-bestrahlt, x-beliebig.

    Ich selbst bin natürlich ausgesprochen EU-freundlich. Wäre dem anders, wäre ich als EU-Dolmetscherin wohl auch fehl am Platz. Obwohl: Im EU-Parlament gibt es eine Fraktion der EU-Skeptiker, die zwar im Parlament sitzen und alle Vorteile der EU genießen, aber dennoch Fundamentalopposition betreiben und so ziemlich gegen alles sind, was so auf den Tisch kommt. Politisch sind sie zwar so gar nicht auf meiner Linie, aber da viele von ihnen sehr gute Rednerinnen und Redner sind, ist es gar nicht so uninteressant, deren Wortmeldungen zu dolmetschen, wie ich von erfahrenen Kolleginnen höre. So oder so freue ich mich darauf, die so genannte deutsche Kabine mit meiner österreichischen Sprachfärbung zu „beglücken”.

  • Austriazismen für Neulinge

    Geschrieben am 30. Oktober 2012 Dagmar Jenner 4 Kommentare

    Vor wenigen Tagen hielt ich mit meiner Zwillingsschwester einen Vortrag bei der Jahreskonferenz des amerikanischen Übersetzungsverbandes ATA (American Translators Association). Unsere Präsentation stand ganz im Zeichen der in Österreich üblichen Varietät des Deutschen und nannte sich „Austriazismen für Neulinge″. Im Doppelpack brachten wir unserem Publikum Kuriositäten des österreichischen Sprachgebrauchs näher und hatten dabei eine große Gaudi, pardon, ziemlich viel Spaß. Den Rückmeldungen zufolge hat es auch den Zuhörerinnen und Zuhörern eine ganze Menge Spaß gemacht. Genau genommen gingen wir weit über Austriazismen hinaus, da sich dieser Begriff ausschließlich auf die Lexik bezieht. Wir behandelten auch Aspekte der Aussprache und einige wenige Unterschiede bei der Rechtschreibung (Geschoss vs. Geschoß), die Verwendung von Präpositionen (Urlaub auf dem Bauernhof in Deutschland und Urlaub am Bauernhof in Österreich, siehe auch hier), Wortbildung (Stichwort: Fugenzeichen) und Grammatik: In Österreich wird das Perfekt bei Verben der Körperhaltung immer mit sein gebildet: Ich bin gesessen. Ich bin gehockt. Ich bin gelegen.

    Besonders gut kam die österreichische Tendenz zur Verniedlichung an: Häferl, Stockerl, Leiberl … und überhaupt: Darf”s ein bisserl mehr sein? Für großes Gelächter sorgte auch der Werbeslogan der Stadt Wien und deren Hundstrümmerl-Initiative: Nimm ein Sackerl für mein Gackerl. Der Slogan hat bei seiner Einführung die Gemüter in Wien ziemlich erhitzt; bei der ATA-Konferenz im sonnigen San Diego war’s ein echter Schenkelklopfer.

    Da der Vortrag so gut angekommen ist, überlegen wir, bei der kommenden Konferenz in San Antonio, Texas, über „Austriazismen für Fortgeschrittene”  zu plaudern, also zu erzählen. Da werden wir unser Publikum mit besonders kniffligen Austriazismen quälen, etwa: Der Kolporteur ist seit gestern abgängig.

    Weiß jemand von euch ohne nachzusehen, was Kolporteur und abgängig bedeutet? Wer südlich des legendären Weißwurstäquators wohnt, möge bitte nicht mitmachen, denn dann wäre es nur halb so lustig.

  • Rollenmodelle gesucht!

    Geschrieben am 17. Oktober 2012 Dagmar Jenner 2 Kommentare

    Derzeit weile ich bei meinem Schwesterherz in den USA. Erstaunlicherweise fällt es mir bereits nach einer Woche schwer, in einem englischsprachigen Umfeld ins Deutsche zu übersetzen. Ich kann also ansatzweise nachvollziehen, wie es Deutsch-MuttersprachlerInnen geht, die seit Jahr und Tag in einem anderen Land leben und laufend bemüht sind, an ihrer Muttersprache dranzubleiben.

    Hier befinde ich mich auch an der Quelle zahlreicher übersetzerischer Missverständnisse. Wie Nataly Kelly und Jost Zetzsche in ihrem genialen der Übersetzung und dem Dolmetschen gewidmeten Buch „Found in Translation” beschreiben, spielen übersetzte Texte eine zentrale Rolle in unserem Leben. Bücher, Filme, Beipackzettel, Websites … die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Leider kommen sehr oft keine Profis für diese Übersetzungstätigkeiten zum Einsatz. Ein klassisches Beispiel ist der Journalismus, wo gestresste JournalistInnen gerne Informationen englischsprachiger Presseagenturen so nebenbei in ihre Muttersprache übersetzen, so ganz nach dem Motto: *everybody can English. Da stolpert die geneigte Leserin dann schon mal über völlig deplatzierte Adjektive wie ordinär (aus dem Englischen ordinary, eigentlich gewöhnlich), verständlich (von comprehensive, eigentlich umfassend) und, wie zuletzt in einer österreichischen Tageszeitung gelesen, auf Rollenmodell, was in besagtem Kontext überhaupt keinen Sinn ergab. Auch hier war der Schuldige schnell gefunden: Im englischen Ausgangstext war von role model die Rede, was auf Deutsch noch immer Vorbild heißt. Aber wer weiß, Sprache ist ja nichts Statisches und vielleicht hat die junge Generation in 20 Jahren eben keine Vorbilder mehr, sondern Rollenmodelle.

  • Nach der Wahl ist vor der Wahl

    Geschrieben am 7. Oktober 2012 Dagmar Jenner Keine Kommentare

    In den letzten Wochen war bei mir einiges los: sehr viele Übersetzungsaufträge, ein Dolmetscheinsatz, intensive Verbandsarbeit für UNIVERSITAS Austria, Abschluss meines zweiten Studiums. Nun bin ich auch schon wieder auf dem Sprung in die USA, wo ich einen Monat verbringen werde. Unter anderem werde ich am Tag der Präsidentschaftswahlen in den USA sein … und hoffentlich 100 Dollar von einer Freundin kassieren, sofern „mein” Kandidat gewinnt. Das Bild zeigt Obama und Romney am Anfang der ersten Fernsehdebatte.

    Mal sehen, wie es dann nach der Wahl weitergeht. In diesem Zusammenhang tauchen in den Medien immer wieder Kommafehler auf, wenn ein Satz mit nach eingeleitet wird. Sofern es sich um keinen Nebensatz handelt (erkennbar am Verb), ist es in der Regel eine adverbiale Bestimmung, nach der kein Komma gesetzt werden darf.

    Folgender Satz ist demnach falsch:

    * Nach der Wahl zum Präsidenten, geht das Polit-Hickhack in die nächste Runde.

    Ebenso falsch:

    * Nach einem intensiven und kräftezehrenden Wahlkampf, wird der Sieger kaum Gelegenheit zum Verschnaufen bekommen.

    Merke: Wenn nach eine adverbiale Verbindung (auch Umstandsangabe) einleitet, darf kein Komma stehen.

    Wenn es sich um einen Nebensatz handelt, der meistens mit nachdem eingeleitet wird, muss sehr wohl eines stehen. Beispiele (das Verb des Nebensatzes ist unterstrichen):

    Nachdem die Wahl geschlagen ist, geht das Polit-Hickhack in die nächste Runde.

    Nachdem die Kandidaten einen intensiven Wahlkampf absolviert haben, wird der Sieger kaum Gelegenheit zum Verschnaufen bekommen.

    In diesem Sinne wünsche ich uns ein spannendes Wahlkampf-Finale, das ich hoffentlich hautnah miterleben werde!