Tag Archives: häusliche Gewalt

Wenn Sprache verharmlost

Heute lehne ich mich mal politisch und sprachpolitisch ein wenig aus dem Fenster. Die Tatsache, dass der (Noch-)Chef des Internationalen Währungsfonds, der Franzose Dominique Strauss-Kahn, in New York wegen Vergewaltigung angeklagt wird, dürfte bekannt sein. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Sehen wir uns mal an, zu welcher Wortmeldung diese Tatsache einen gewissen österreichischen Nationalratsabgeordneten namens Wolfgang Großruck hinreißt (übrigens würde es mich nicht wundern, wenn bundesdeutsche LeserInnen Verständnisschwierigkeiten haben). Hier das Video.

Er sagte: „Obwohl er schon ein reiferer Mann, zeigt Dominique Strauss, was er noch kann. Fürs Protokoll bitte kann mit stummem h schreiben.” [also Kahn]

Würden wir den Hintergrund nicht kennen, könnten wir denken, dass hier von einem sympathischen älteren Herrn die Rede ist, der sich nach wie vor mit seiner Frau (oder einer sonstigen Freiwilligen) vergnügt.

Ich finde diese Wortmeldung unerhört, denn es steht der Vorwurf sexueller Nötigung im Raum. In den Augen von Wolfgang Großruck geht es aber offensichtlich nicht um erzwungenen Geschlechtsverkehr (oder den Versuch), sondern um die Tatsache, dass der gute „DSK”, wie er in Frankreich genannt wird, „noch kann”. Dies transportiert das Denken, dass Frauen jederzeit frei verfügbar sind und dass man sie sich nur zu „nehmen” braucht. Ob die betroffene Frau das auch will, ist in diesem Weltbild offensichtlich nebensächlich. Besonders skandalös finde ich, dass dieser Abgeordnete mit einer solchen Aussage auch noch Gelächter erntet (die wenigen weiblichen Abgeordneten im österreichischen Nationalrat können übrigens ein Liedchen über die dortige Frauenfeindlichkeit singen, die gerne durch schlüpfrige Witze zum Ausdruck kommt).

Ganz klassisch auch die Reaktion des Abgeordneten auf die Rücktrittsforderungen, ebenfalls im Video zu sehen und hören: Er entschuldigt sich nicht inhaltlich für seine Aussage, sondern er entschuldigt sich bei denjenigen, die seine Ironie falsch verstanden haben und sich betroffen fühlten. Wie praktisch, und auch ganz klassisch in der Politik: Schuld ist nicht der, der Unfassbares sagt, sondern jene, die daran Anstoß nehmen. Da wundert es kaum, dass mit dieser Wischiwaschi-Entschuldigung die Angelegenheit für die Spitze der ÖVP (Österreichische Volkspartei) erledigt ist.

Ebenso schlimm finde ich es, wenn ich in Zeitungen in Bezug auf Strauss-Kahn von Sex-Affäre lese. Ganz ehrlich: Das Wort Sex ist positiv behaftet. Bei Dominique Strauss-Kahn und der Hotelangestellten geht es aber nicht um freiwilligen Geschlechtsverkehr, sondern um solchen unter Gewaltanwendung. Warum wird das Kind nicht beim Namen genannt? Es geht um sexuellen Missbrauch und um Vergewaltigung. Sex-Affäre klingt nach Seitensprung und ist ein schönes Beispiel, wie durch Sprache Sachverhalte verharmlost werden. Letztlich steht in diesem Fall, siehe Video, ja sogar noch der Täter in einem positiven Licht da. Schließlich zeigt er ja, was er kann!

Ein weiteres Beispiel für verharmlosende Sprache ist häusliche Gewalt. Dass darunter körperlicher, psychischer und sexueller Missbrauch von Frauen und Kindern gemeint ist, transportiert der Begriff mitnichten.