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Rollenmodelle gesucht!

Derzeit weile ich bei meinem Schwesterherz in den USA. Erstaunlicherweise fällt es mir bereits nach einer Woche schwer, in einem englischsprachigen Umfeld ins Deutsche zu übersetzen. Ich kann also ansatzweise nachvollziehen, wie es Deutsch-MuttersprachlerInnen geht, die seit Jahr und Tag in einem anderen Land leben und laufend bemüht sind, an ihrer Muttersprache dranzubleiben.

Hier befinde ich mich auch an der Quelle zahlreicher übersetzerischer Missverständnisse. Wie Nataly Kelly und Jost Zetzsche in ihrem genialen der Übersetzung und dem Dolmetschen gewidmeten Buch „Found in Translation” beschreiben, spielen übersetzte Texte eine zentrale Rolle in unserem Leben. Bücher, Filme, Beipackzettel, Websites … die Liste könnte endlos fortgesetzt werden. Leider kommen sehr oft keine Profis für diese Übersetzungstätigkeiten zum Einsatz. Ein klassisches Beispiel ist der Journalismus, wo gestresste JournalistInnen gerne Informationen englischsprachiger Presseagenturen so nebenbei in ihre Muttersprache übersetzen, so ganz nach dem Motto: *everybody can English. Da stolpert die geneigte Leserin dann schon mal über völlig deplatzierte Adjektive wie ordinär (aus dem Englischen ordinary, eigentlich gewöhnlich), verständlich (von comprehensive, eigentlich umfassend) und, wie zuletzt in einer österreichischen Tageszeitung gelesen, auf Rollenmodell, was in besagtem Kontext überhaupt keinen Sinn ergab. Auch hier war der Schuldige schnell gefunden: Im englischen Ausgangstext war von role model die Rede, was auf Deutsch noch immer Vorbild heißt. Aber wer weiß, Sprache ist ja nichts Statisches und vielleicht hat die junge Generation in 20 Jahren eben keine Vorbilder mehr, sondern Rollenmodelle.