Category Archives: Grammatik

Ich gebe niemand oder niemandem etwas ab?

JuniaKürzlich ereilte mich per E-Mail die Frage, wie der korrekte Dativ von niemand lautet: niemand oder niemandem.

Also etwa in diesem Beispiel:
Ich gebe niemand etwas von meiner Jause./Ich gebe niemandem etwas von meiner Jause.

Ebenso stellt sich die Frage beim Wort jemand:

Ich gebe das Buch jemand mit./Ich gebe das Buch jemandem mit.

Die salomonische Antwort lautet: Es sind laut Duden da wie dort beide Varianten erlaubt. Der Dativ kann mit oder ohne Flexionsendung auftreten, wie das so schön heißt. Gleiches gilt für den Akkusativ (niemand/niemanden, jemand/jemanden). Der Duden führt dazu weiter aus, dass im Akkusativ die endungslose Form oft vorgezogen wird: Haben Sie jemand getroffen?

Mein Foto zeigt nicht niemand und auch nicht niemanden, sondern meine orthografieverliebte Katze Junia.

War der Service gut? Oder das Service schlecht?

business dog typewriterHeute sehen wir uns ein Wort an, dessen Genus gerne mal für Verwirrung sorgt. Dazu kommt noch, dass es zwei Wörter mit der Schreibung Service gibt. Eines bezeichnet einen Satz Tafelgeschirr und das Wort ist aus dem Französischen entlehnt worden, weshalb es auch auf der letzten Silbe betont wird. Dieses Wort ist neutralen Geschlechts; folglich heißt es das schöne blaue Service.

Das sehr viel häufiger vorkommende Wort Service stammt aus dem Englischen und bezeichnet den Kundendienst und allgemeiner einen Dienst oder eine Dienstleistung. Laut Duden hat dieses Wort maskulines oder (selten) neutrales Genus:

Der Service im neuen Restaurant ist nicht überragend.

Auch: Das Service im neuen Restaurant ist nicht überragend.

Welche Variante verwendet ihr häufiger?

Auch ja, eine dritte Bedeutung gibt es auch noch: Service als Aufschlag im Tennis. Es spricht zwar nichts dagegen, Aufschlag zu sagen, aber wer das englische Lehnwort verwendet, sagt in der Regel das Service (obwohl der Duden auch hier schreibt, dass auch der Service selten, aber doch in Verwendung ist).

Die Erklärung des Vorstand(e)s

VorstandJedes Quartal wieder lese ich Geschäftsberichte von großen börsennotierten Unternehmen Korrektur. In diesem Zusammenhang habe ich mit einer Kundin vor einiger Zeit die Frage besprochen, ob es auf den letzten Seiten Erklärung des Vorstands oder Erklärung des Vorstandes heißen muss. Die frohe Botschaft lautet: Beide Varianten sind möglich.

Das Thema -es oder -s beim Genitiv ist diffiziler, als die Sprachexpertin annehmen würde. Im Dudenband 9 („Richtiges und gutes Deutsch”) gibt es dazu eine ganze Menge Ausführungen. Hier die zentralen Botschaften im Überblick:

Die volle Endung -es steht immer bei Substantiven, die die folgende Endung aufweisen: -s, -ss, -ß, -x, -z, -tz. Beispiele: des Glases, des Überflusses, des Reflexes, des Gewürzes, des Sitzes.

Die kürzere Form -s kommt bei Substantiven mit den folgenden Endungen zur Anwendung: -en, -em, -el, -er, -ler, -ner, -end, -chen, -lein, -ig, -ich. Beispiele: des Wagens, des Lesens, des Atmens, des Gürtels, des Lehrers, des Sportlers, des Rentners, des Abends, des Mädchens.

In den übrigen Fällen besteht Wahlfreiheit, wobei die volle Form mit -es besonders bei einsilbigen und endbetonten Substantiven bevorzugt wird: des Gemütes, des Ertrages, des Leibes.

Bei Komposita mit Fugen-s wird häufiger die Endung -es gewählt: des Jubiläumsjahres, des Geschäftsfreundes.

Die kurze Form -s wird bei Substantiven mit unbetonter Endsilbe bevorzugt: des Urteils, des Urlaubs, des Vortrags. In diese Kategorie fällt auch unser Vorstand. Es darf also durchaus Erklärung des Vorstands heißen. Erklärung des Vorstandes ist aber auch in Ordnung … wichtig ist es im Quartalsbericht, dass die eine oder Schreibweise konsequent durchgezogen wird. Der Duden selbst schreibt, dass viele der genannten Verwendungsbedingungen aus rhythmischen oder stilistischen Gründen nicht selten außer Acht gelassen werden.

Als Illustrationsbild hätte ich gerne eine weibliche Vorstandsriege verwendet. Da das derzeit leider noch utopisch ist, hier ein realitätsnahes Bild, wie ein Vorstand in der Regel aussieht: männlich und grau.

 

Das Pool?

IMG_0572Der Sommer neigt sich ganz entschieden dem Ende zu, was sich unter anderem daran bemerkbar macht, dass das Schwimmbecken in meinem Wohnhaus (hier bei Nacht im Bild) nicht mehr in Betrieb ist. Am Informationsbrett hängt ein Zettel mit folgender Information: „Das Pool ist ab 29. September geschlossen.″

Das Pool? Das machte mich stutzig. Ich sage immer der Pool, aber da ich in jüngster Zeit öfter Pool mit sächlichem Artikel gehört habe, wurde ich unsicher und konsultierte den Duden. Dort steht unter Swimmingpool (auch Swimming-Pool ist erlaubt) klar und deutlich: männlich, also der Pool. Woher wohl das Pool kommt? Vielleicht, weil die deutsche Entsprechung das Schwimmbecken sächlich ist? Wie dem auch sei: Auch wenn wir alle schlicht und ergreifend Schwimmbecken sagen könnten, entscheiden sich die meisten dann doch für Pool. Klingt wohl irgendwie mondäner. Auf jeden Fall habe ich ihn im Sommer ausgiebig genutzt und somit die heißen Tage weitestgehend unbeschadet überstanden. Der Herbst kann kommen! Und der Winter auch.

Ein Mädchen namens Livia

img_0665Kürzlich wies mich ein Leser meiner Rezensionen auf www.buchrezension.eu auf eine Kritik hin, die ich an der folgenden Verwendung des Relativpronomens angebracht hatte. Es handelt sich um eine Übersetzung aus dem Italienischen. Autor ist der von mir sehr geschätzte Andrea de Carlo.

Hier der von mir beanstandete Satz, der dem erwähnten Leser einiges an Kopfzerbrechen bereitete:

Er studierte Agrarwissenschaft und lebte mit einem zierlichen jungen Mädchen namens Livia zusammen, die in einer Bar arbeitete.

Ich habe jetzt lange darüber nachgedacht und viel in Grammatiken geblättert und bin mir mittlerweile nicht mehr ganz sicher, ob ich diese Stelle zu Recht beanstandet habe.

Einfach wäre der folgende Fall: Er lebte mit einem jungen Mädchen zusammen, das in einer Bar arbeitete.
Hier bezieht sich das Relativpronomen das ganz klar auf Mädchen und bereitet keine Schwierigkeiten.

Auch bei dieser Satzkonstruktion ist die Sache klar:
Er lebte mit Livia zusammen, die in einer Bar arbeitete.
Das Relativpronomen bezieht sich auf die weibliche Livia. So weit, so gut.

Was ist aber, wenn wir es quasi mit einem doppelten Bezugssubstantiv zu tun haben? Ein Mädchen namens Livia … es stehen die Relativpronomen das und die zur Auswahl. Das bezieht sich auf Mädchen, die auf Livia. Was tun? Wie würdet ihr euch spontan entscheiden?

Hier nun das Ergebnis meiner Recherche.

Grundsätzlich übernehmen Relativpronomen natürlich das Genus des Bezugsworts:
Das Mädchen, das im Haus gegenüber wohnt, spielt gut Klavier.

In meiner Duden-Grammatik lese ich darüber hinaus auch, dass bei Personalpronomen das natürliche Geschlecht vor allem bei längerer Distanz zum Bezugssubstantiv bestimmend ist. Als Beispiel wird angeführt:

… stürzten sich auf das Mädchen, das in der Ecke stand, und drohten ihr mit Erschießen.

Dieser Fall trifft in unserem Beispiel nicht zu, weil das Relativpronomen fast unmittelbar nach dem Bezugssubstantiv bzw. den Bezugssubstantiven steht.

Den einzigen anderen Hinweis, den ich noch finde, ist folgender:

Wenn der veraltete Titel Fräulein ohne Artikel vor einem Personennamen steht, bestimmt der Personenname das Genus:

Fräulein Becker, die gerade ins Büro gekommen ist, …

Mit Artikel ist es allerdings umgekehrt:

Das tüchtige Fräulein Becker, das gerade ins Büro gekommen ist, …

Ich bin nun weitestgehend ratlos. Wie würdet ihr euch entscheiden und warum? Bin gespannt auf eure Antworten!