Category Archives: Adjektive

Ein Sack voller Flöhe

Vergangene Woche habe ich eine lateinamerikanische Wirtschaftsdelegation bei einer Art Studienreise hier in Wien begleitet. Sie wollten sich vor Ort ansehen, wie es Wien geschafft hat, zu einer international anerkannten Kongressstadt aufzusteigen. Angesichts der Größe der Delegation – 9 Personen – hatte ich zuweilen den Eindruck, es mit einem Sack voller Flöhe zu tun zu haben. Abgesehen von der Verdolmetschung der Präsentationen, Gespräche und Fragestunden wurde auch meine Expertise für Bereiche in Anspruch genommen, die mit meiner eigentlichen Tätigkeit wenig zu tun haben: Wo gibt es das beste Schnitzel? Wie lange dauert die Bus-/Zugfahrt nach Budapest? Sollen wir lieber ins Freud-Museum oder in die Albertina gehen? Wann gibt es einen Auftritt der Lipizzaner?

Ich tat, was ich konnte … und stellte nebenher ein paar sprachliche Überlegungen an. Heißt es ein Sack voller Flöhe oder ein Sack voll Flöhe? In diesem Zusammenhang fiel mir etwa der Film Ein Käfig voller Narren ein. Nach Abschluss des Dolmetscheinsatzes verschaffte ein Blick in den Dudenband „Richtiges und gutes Deutsch” Gewissheit. Dort steht zu lesen: „Gelegentlich wird auch die erstarrte flektierte Form voller gebraucht, wobei das folgende Substantiv ohne Flexionsendung bleibt: Er war voller Misstrauen gegen das Projekt. Ein Baum voller reifer Äpfel.

Demzufolge sind beide Varianten korrekt, also ein Sack voll Flöhe und ein Sack voller Flöhe. Nun widme ich mich einem Tag voller Regenschauer.

Derselbe, aber der gleiche

p10901921Ein aufmerksamer Leser warf kürzlich die Frage auf, warum es derselbe/dieselbe/dasselbe heißt, dahingegen aber der gleiche/die gleiche/das gleiche. Warum dem so ist, kann ich leider nicht abschließend beantworten, aber ich vermute, dass derselbe & Co. im Laufe der Zeit zu einer Einheit verschmolzen sind, während dieser Prozess bei der gleiche etc. noch andauert. Möglicherweise wird es aber auch irgendwann so weit sein.

Weiterer Erklärungsversuch: Das Wort gleiche ist ein Adjektiv, weshalb es Sinn ergibt, dass es auch allein stehen kann. Dieses Adjektiv kann sowohl attributiv (das gleiche Wort) als auch prädikativ (das ist mir gleich) verwendet werden. Selbe ist allerdings auch ein Adjektiv, wenn auch ein eher selten verwendetes, etwa in der Wendung zur selben Zeit. Hier fällt auf, dass dieses Adjektiv nur attributiv verwendet werden kann. So oder so taugt dieser Erklärungsansatz wohl nur bedingt.

Übrigens, weil auch die Frage nach der Wortart aufgeworfen wurde: Derselbe/dieselbe/dasselbe sind Demonstrativpronomen; ebenso wie der gleiche/die gleiche/das gleiche.

Der erwähnte Leser würde also gerne Folgendes schreiben: Er unterrichtet die selbe Methode wie sein Lehrer.

Das kann ich angesichts der Ausführungen oben zwar nachvollziehen, allerdings unterstreicht das die Rechtschreibprüfung des Lesers zu Recht.

Zum Foto: Das Bild zeigt zwei nicht ganz identische Fünftausender an der Grenze zwischen Chile und Bolivien.

Ein bienenfleißiges Wochenende

BieneNachdem mein Wochenende alles andere als entspannend war, müsste ich eigentlich den Montag und den Dienstag zum Wochenende umfunktionieren. Das haut aber leider nicht hin, weil meine Kundinnen und Kunden ja auch nicht auf der faulen Haut liegen und Übersetzungen, Werbetexte und Dolmetschleistungen anfordern. Montage haben es in sich!

Wie dem auch sei, mein bienenfleißiges Wochenende stand ganz im Zeichen ehrenamtlicher Arbeit. Ich bin die Generalsekretärin von UNIVERSITAS Austria, Berufsverband für Dolmetschen und Übersetzen. Die Vollversammlung naht, Berichte möchten erstellt werden, weshalb einige Leute dieses Wochenende bienenfleißig waren und in die Tasten hauten, bis sie glühten, während andere gemütlich auf der Couch lagen.

Womit wir auch gleich beim Thema wären. Das schöne Adjektiv bienenfleißig habe ich wohlgemerkt schon in der Schreibweise *Bienen fleißig gesehen, was natürlich nicht richtig ist. Schon klar, dass sich das Kompositum aus einem Substantiv, nämlich Biene, und einem Adjektiv, nämlich fleißig, zusammensetzt (dazwischen steht ein sogenanntes Fugenzeichen). Aber Adjektive werden nun mal grundsätzlich klein- und zusammengeschrieben, auch wenn das erste Element ein Substantiv ist. Richtig kompliziert wird es allerdings, wenn das erste Element ein Substantiv und das zweite ein Partizip ist. Darüber habe ich hier und hier berichtet.

Weitere Beispiele: bärenstark, sauwohl, hundemüde, lammfromm, hummeldumm (gut, das ist erfunden; Hummeln sind schließlich bestimmt nicht dumm, aber es reimt sich so schön). Ach ja, und passend zum Wetter: saukalt.

Damit erschöpft sich aber auch schon mein Tieradjektiv-Repertoire. Wer weiß mehr?

Klirrend kaltes Wetter

imgp4987In Europa ist es derzeit flächendeckend kalt. Sehr kalt. Ausgesprochen kalt. Am besten trifft es wohl: klirrend kalt. Da sich diese Beschreibung aufdrängte, als ich vorhin kurz mein wohlig warmes Büro verließ, dachte ich auch über die Rechtschreibung nach. Klirrend kalt schreibt sich in zwei Wörtern. Warum eigentlich?

Sehen wir uns an, mit welchen Wortarten wir es zu tun haben. An erster Stelle steht ein Partizip, konkret ein Partizip I, nämlich klirrend. An zweiter Stelle steht das Adjektiv kalt. Tun sich ein Partizip an erster Stelle und ein Adjektiv an zweiter Stelle zusammen, muss diese Verbindung immer getrennt geschrieben werden. Weitere Beispiele: gestochen scharf, brütend heiß, strahlend hell.

Ein anderes Adjektiv, das mir in Zusammenhang mit der derzeitigen Witterung einfällt, ist bitterkalt. Allerdings wird diese Verbindung zusammengeschrieben. Das liegt daran, dass in dieser Verbindung das Adjektiv kalt durch die Voranstellung des Adjektivs bitter intensiviert wird. Solche Verbindungen werden immer zusammengeschrieben. Weitere Beispiele: bitterböse, hochgiftig. Übrigens: Die Verbindung aus zwei so genannten gleichrangigen Adjektiven muss ebenso zusammengeschrieben werden, etwa nasskalt, taubstumm und schwarzweiß.

Abschließend noch eine meiner Lieblingsempfehlungen an jene, die viel elektronische Post bekommen und schreiben und durch eine Portion Kreativität auffallen möchten. Anstelle der doch schon sehr abgedroschenen Schlussformel mit freundlichen Grüßen empfiehlt sich eine an das Wetter, die Jahreszeit etc. angepasste Schlusszeile. Also etwa abendliche Grüße, vorweihnachtliche Grüße, sonnige Grüße oder eben klirrend kalte Grüße. Nach dieser Grußformel darf wohlgemerkt kein Komma und auch kein anderes Satzzeichen stehen.

In diesem Sinne freue ich mich, in den kommenden Tagen meinen Kamin auf Hochtouren zu beschäftigen. Heute Abend allerdings trotze ich der Kälte, um zur Buchpräsentation des von mir sehr geschätzten Daniel Glattauer zu gehen, der heute sein neues Buch „Ewig Dein” vorstellt. Die Veranstaltung ist restlos ausgebucht, weshalb es dort drin sicherlich alles andere als klirrend kalt sein wird.

Sind Sie automobil?

Frisch zurück aus dem Griechenland-Urlaub, wo ich meine bescheidenen Griechisch-Kenntnisse erfolgreich an Frau und Mann bringen konnte, denke ich noch immer über etwas nach, was ich am Rückflug in der Zeitschrift der Fluggesellschaft gelesen habe. Dort wurden Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter gesucht, die eine Reihe von Qualifikationen vorweisen müssen. Dazu gehört es auch, automobil zu sein. Bisher dachte ich, dass Automobil ausschließlich ein Substantiv wäre. Aber automobil als Adjektiv hatte ich noch nie gehört, geschweige denn gelesen.

Wie sich zeigt, muss das ja nichts heißen. Ich befragte mein Duden-Universalwörterbuch. Dort findet sich unter dem Eintrag automobil folgende Information:

au|to|mo|bil <Adj.>:

a) das Auto betreffend, in Bezug auf das Auto: der -e Laie;

b) vom Auto bestimmt: eine -e Gesellschaft.

Wir wissen jetzt also, dass das Adjektiv automobil sehr wohl existiert. In den angeführten Beispielen wird das Adjektiv stets attributiv, also einem Substantiv vorangestellt, verwendet. Fragt sich nur, ob es auch prädikativ verwendet werden kann (jemand ist automobil). Die Frage kann ich persönlich nicht beantworten; Airberlin scheint die Frage für sich positiv beantwortet zu haben.

Automobil sein liest sich für mich nach wie vor etwas holprig, aber wer weiß, vielleicht setzt es sich durch …

Was halten die werten Leserinnen und Leser von dieser Formulierung? War sie euch bereits bekannt? Würdet ihr sie verwenden?